Terzo Mondo, 1972 entstanden aus der Revolution und Demonstration

eine Alternative in Berlin ..

Berlin | 9. Dezember 1972

1972

übernahm Kostas Papanastasiou das Terzo Mondo von der Lotta Continua und gab somit den Demonstranten gegen die herrschende Junta in Griechenland ein Zuhause. Es wurden Demonstrationen und Aktionen gegen das Militärregime geplant, wild diskutiert, politisiert, musiziert und getanzt, das zusammen mit Mikis Theodorakis, Maria Farantouri, Melina Mercouri … Aber auch Demonstranten, Revolutionäre und Musiker anderer Länder, wie Ton-Steine-Scherben begegneten und tauschten sich aus im Terzo, selbst spätere Minister, wie Otto Schilly, verbrachten ihre “wilden” Jahre hier.
Es wurde DER Treff, das Herz der linken Szene in West-Berlin. “Die Alternative in Berlin”, so lautete das Motto ..

1975

Durch das Mitwirken von Kostas, in dem Film “Die Eroberung der Zitadelle” von Bernhard Wicki, wurde das Terzo ein Treffpunkt für die Berliner Filmfestspiele. Stars wie Romy Schneider, Aki und Mika Kaurismäki, Theo Angelopoulos mischten sich unter die Revolution, Rainer Werner Fassbinder kam während seiner Dreharbeiten zu “Berlin Alexanderplatz” mit seinem Team, um aufzuarbeiten und weiter zu entwickeln. Die Nächte waren lang und gehaltvoll, stets gab es Gespräche und Diskussionen über Politik, Kunst, Kultur und dazu Live Musik von Kostas und seinen Freunden.

1982

funktioniert Kostas mit seiner Frau Monika den große Lagerraum in die Galerie Terzo um. Viele unbekannte und bekannte Maler aus Griechenland und anderen Ländern, bekamen hier die Möglichkeit ihre Kunst dem internationalen Publikum des Terzo Mondo vorzustellen.

1984

trifft sein Sohn Marc Alexey Papanastasiou zufällig auf Hans W. Geißendörfer, der ihn vom Fleck weg für seine geplante Serie “Lindenstraße” engagieren möchte. Im weiteren Gespräch wird die Verbindung zu Kostas aufgeklärt, woraufhin es hiess “Toll, ich nehme Euch beide als Vater und Sohn für meine griechische Familie!”. Marc lehnte nach einiger Überlegung ab, um seine Schule und die Musik in Berlin weiterführen zu können, sein Vater nahm die Rolle an und wurde so der bekannteste Grieche Deutschlands.

Manche Stimmen sprachen von Verrat an der Revolution,

da nun der Lindenstraßen Tourismus einsetzte, Kostas jedoch blieb seiner Linie treu, die politischen Diskussionen verloren nichts an ihrer Schärfe und provokativen Kraft und er nutzte die gestiegene Popularität, um große Hilfsaktionen für Georgien und Griechenland durchzuführen.

In der Nacht des 9. November 1989 feierte Katharina Thalbach hier, zusammen mit Manfred Krug ihre erste Party im Westen, mit griechischer Live Musik und Freibier.

Seit 2017

führt nun Marc Alexey das Terzo Mondo weiter,

bedacht darauf, behutsam mit dieser Geschichte und Tradition umzugehen, sie für eine neue Generation zugänglich zu machen, aber auch das Terzo zu entstauben und in die Gegenwart zu transportieren, die familiäre Atmosphäre zu erhalten, eine traditionelle griechische Küche, die auch vegetarisch und vegan kann, anzubieten und mit seiner Live Musik und einer umgestalteten Galerie (ein wenig) mehr Kunst und Kultur an den SavigNYplatz zu bringen.

Das Terzo Mondo wird nie eine SystemGastronomie oder Franchiseunternehmen werden, oder Tischtücher tragen, es soll einfach eine ehrliche kleine Heimat bleiben, so wie es das schon seit 1972 für viele geworden war.

.. ein Ort, um die Seele zu nähren, Grenzen zu öffnen, in Dialogen den Geist zu beflügeln, ein Ort um zu sein und zu werden ..

Nach 50 Jahren noch immer eine Alternative am Savignyplatz

by Marc Alexey

Das Terzo Mondo besteht seit dem 9. Dezember 1972.

Das ein griechisches Restaurant einen italienischen bzw. lateinischen Namen hat, ist eher ungewöhnlich. Terzo Mondo = Dritte Welt

Es war die Zeit der übereilten Abrisse von schönen Häusern, um dann die „moderne“ Architektur zu produzieren. Bei uns wirkte sich das in einen Umzug zur heutigen Adresse aus, Eröffnung am 7. Februar 1974. In der Grolmanstraße sind wir nun 40 Jahre. Eine der ältesten griechischen Restaurants in Berlin, liebevoll von uns „Kneipe“ genannt.

Das Terzo Mondo ist Berliner Filmfestspielkneipe. Treffpunkt der unkonventionellen Filmemacher und der Menschen die mit ihnen arbeiten.

Nicht die übliche Sitzordnung (4-6 Leute = 1 Tisch) um die Kommunikation zu fördern. Ideal für größere Gruppierungen aller Nationen.

Wir verstehen uns nicht nur als Restaurant, sondern als Kommunikationszentrum mit griechischer Küche. Die Küche ist griechisch rustikal und wohlschmeckend, bezahlbar, begleitet von guten griechischen Weinen und Live Musik vom Chef persönlich, vom Sohn des Chefs, vom Gast des Chefs, vom Freund des Sohnes des Chefs oder auch gar dessen Freund…

in den Worten von Peter Braune (Kiezbeirat City West)

Kostas Papanastasiou. Ein waschechter Achtundsechziger in den Augen vieler seiner Stammgäste im Restaurant Terzo Mondo in der Grolmanstraße 28 im Charlottenburger Kiez. Stimmt aber nicht! Bereits Ende der Fünfziger Jahre hat er als Schauspielschüler und Architekturstudent in Berlin mit Freunden die „Griechische Gemeinde e. V.“ gegründet, Hilfe suchenden griechischen Gastarbeitern Anträge ausgefüllt, Benimmregeln vermittelt und mit ihnen politisiert, gefeiert, getanzt und gesungen.

Als sich 1967 die Obristen unter Papadopoulos an die Macht in Griechenland putschten, organisierte Kostas Papanastasiou von Berlin aus den Widerstand mit der Gruppe „Patriotische Front“, die sich als ein Sammelbecken sozialistischer Kämpfer verstand und an verschiedenen Orten Europas arbeitete. Ein Jahr später lernte er Mikis Theodorakis kennen, der als revolutionärer Komponist auch der Patriotischen Front angehörte. Eine Welle der Empörung aus aller Welt, zu der Kostas von Berlin aus mit vielen Veranstaltungen beitrug, führte zur Entlassung von Mikis Theodorakis aus dem Gefängnis und Mitte 1974 zum Sturz des Diktators.

Das Terzo Mondo hat er Ende 1972 eröffnet. Die damals aktuellen Auseinandersetzungen um den Nato-Doppelbeschluss und um Antiatomkampf-Strategien fanden im Terzo Mondo keinen Widerhall. Umso mehr wurde in seinem Restaurant Kleinarbeit geleistet.

Wer heute das Restaurant betritt, sieht Kostas bald im Gespräch mit Menschen aus verschiedenen Ländern, die hier in Deutschland und in ihren Heimatländern ungerecht behandelt wurden. Er schreibt wieder Anträge auf Aufenthaltserlaubnis, macht Eingaben oder organisiert Hilfstransporte nach Georgien. Viele junge bildende Künstler können in seiner kleinen abgetrennten Galerie zum ersten Mal kostenlos ihre Werke ausstellen, Sängerinnen und Vortragende können die Bühne und Musik-Anlage für Auftritte und Proben nutzen.

Im Terzo Mondo fanden in den 70er Jahren viele Künstler, die aus politischen Gründen die DDR verließen, eine Anlaufstelle, in der sie ohne ideologische Verbiegungen Vertrauen in ihre eigene Arbeit auch im „anderen deutschen Staat“ wieder fanden und erste Auftritte wagten. Hier sind Thomas Brasch, Klaus Schlesinger, Sarah Kirsch, Pannack und Kunert und Katharina Thalbach zu nennen.

Daneben entwickelte sich das Terzo Mondo zu einer Institution für Hilfe suchende Ausländerinnen und Ausländer oder hier lebende Randgruppen, Obdachlose und Behinderte oder erwachsene und jugendliche Analphabeten. Es hatte eine Wirksamkeit, um die es von vielen staatlichen und halbstaatlichen Beratungsstellen für Menschen in Not oder Menschen im Aufbruch beneidet wurde und noch heute beneidet wird.

Wenn es nachts im Terzo Mondo so richtig brummt, greift Kostas Papanastasiou zur Gitarre und singt. Rauchig der Klang seiner Stimme, aus dem Bauch heraus die Melodien, der Text mit seelischem Gehalt dargeboten, so dass jeder, ohne griechisch zu verstehen, weiß, worüber dieser Mann singt: Von Freiheit, Gerechtigkeit und Liebe. Niemals aber über Hass, heroisches Blutvergießen oder über politisches Gerangel. Seine Vorgaben sind Texte von Janis Ritsus oder Odysseus Elytis, Dichtungen der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Griechenlands. Sein Freund Mikis Theodorakis hat sie vertont.

Zu Ehren des 80. Geburtstages von Theodorakis sang Kostas Papanastasiou Ende November 2005 im ausverkauften Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. Er sang mit dem langen Atem eines weise gewordenen Mannes. Das Publikum dankte es ihm am gleichen Ort mit stehenden Ovationen und mit noch mehr Andrang bei seinem Auftritt 2006: „50 Jahre Kostas in Berlin“, einer Liebeserklärung an unsere Stadt. In der Philharmonie auch nahm er 2008 an einer Würdigung Pablo Nerudas, des Dichters, teil. 2009 würdigte er dort den griechischen Dichter Jannis Ritsos durch Rezitationen zu dessen 100 jährigem Geburtstag. Einen „schlauen Gastwirt“ spielte Kostas Papanastasiou im Sommer letzten Jahres im Berliner Brecht-Theater 2010 in der „Inselkomödie – Lysistrata und die Nato“ von Rolf Hochhut.